Geschichte


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„Das Reisen ist uns erblich, und nichts kann uns je davon abhalten. Sobald wir Latein gelernt haben, rüsten wir zur Reise. Zunächst beschaffen wir uns einen Wegweiser, der die Routen beschreibt, an zweiter Stelle ein kleines Buch, aus dem man ersehen kann, was für Sehenswürdigkeiten es in jedem Lande gibt. Wenn unsere Reisenden Leute von gelehrter Bildung sind, so versehen sie sich bei der Abreise mit einem gut gebundenen leeren Büchlein, welches man Album amicorum nennt, und besuchen an allen Orten durch die sie kommen, alle Gelehrten und lassen sie ihren Namen in das Album eintragen“

(aus der Komödie „Sir Politick Wouldbe“ von Saint-Évremond, 17. Jhd.)

Memoriae causa – zu gutem Gedenken – baten insbesondere Studenten und Reisende des 15. bis 19. Jahrhunderts ihre Familie, Professoren und Freunde sich mit Wünschen, Widmungen und Freundschaftssprüchen in ihr Album amicorum einzutragen. Als Album amicorum diente ein gebundenes Buch mit unbedruckten oder nur teilweise bedruckten Seiten. Neben Wünschen und Sprüchen gehörten auch Zeichnungen, Bilder oder Scherenschnitte zu den Beiträgen für den Besitzer des Buchs. Damit es auf Reisen mitgenommen werden konnte, war es klein und handlich.

Die Wiege liegt in Wittenberg

„Vor vierhundert Jahren gehörten Stammbücher zum Reisegepäck der Studenten. (…) Entstanden war die Sitte, soweit wir heute sehen, kurz vor der Mitte des 16. Jahrhunderts. Das älteste bisher bekannte Stammbuch wurde 1545 in Wittenberg begonnen; sein Besitzer Claude de Senarclens gehörte damals in Genf zum nächsten Umkreis Calvins (…) Auch die nächstältesten Stammbücher stehen mit Wittenberg in Verbindung, so dass man mit Recht die protestantische Universität Wittenberg als geographischen und kulturhistorischen Ausgangspunkt dieses studentischen Brauchs ansieht.“ (Lotte Kurras, Zu gutem Gedenken – kulturhistorische Miniaturen aus Stammbüchern des germanischen Nationalmuseums 1570 – 1770, München 1987, S.8)

Warum in Wittenberg? In Wittenberg trafen zu dieser Zeit „die großen kulturellen Strömungen der Zeit zusammen: der Humanismus, die Theologie, ein reiches Buch- und Druckschriftenprogramm, verbunden mit vielen Elementen aussagekräftiger Enblematik. All dies spiegelt sich in den frühen Stammbuchexemplaren.“ (Wolfgang Klose)

Album amicorum – ein Stück deutsche Kultur

Deutschland, Land der Dichter und Denker, zum Beispiel….genau: Goethe. Und Goethe steht nicht nur für dichten und denken. Er steht auch für Lebensfreude, wusste das Leben zu genießen und reiste gern. Wen wundert es also, dass auch er Alba amicorum kannte und nutzte. Auch Goethes Faust ist eine Quelle dafür, wie populär Stammbücher zu seiner Zeit waren.

Neben den Deutschen griffen Niederländer, Skandinavier, Polen und Ungarn die Mode der Alba amicorum auf. Zwar setzten sich die Bücher nicht in weiteren Nationen durch, doch ist es bemerkenswert, dass auch im Ausland jeder wusste, wie er in so ein Büchlein eintragen könnte. Denn bereits mit den ersten Einträgen ist ein Album amicorum selbsterklärend.
„Im 19. Jahrhundert verfiel die Stammbuchmode, vielleicht wegen des mit der Industrialisierung verbundenen Wertewandels, vielleicht auch wegen des immer größeren Anspruchs an die Eintragenden, etwas Besonderes zu produzieren. Selbst Goethe war gelegentlich ratlos.“ (Wolfgang Klose)

Das Album amicorum heute

Ein kleines bisschen lebt das Album amicorum weiter. Kinder nutzen Poesiealben und Jugendliche Freundschaftsbücher für die Eintragungen von Freunden und Verwandten.

Wir schicken das Album wieder auf die Reise. Mit einem Album amicorum in unserem Reisegepäck und mit dieser Webseite möchten wir an diese schöne Kultur erinnern und sie aufleben lassen und in die Welt tragen. Wir möchten damit zum Austausch der Kulturen untereinander und zur Freundschaft der Kulturen beitragen. Dazu nehmen wir ein unbedrucktes Buch, also ein „echtes“ Album amicorum, mit auf die Reise.