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Thailand ist anders

Uwe: 10. Januar 2003, oder besser 2546, denn in Thailand gilt die buddhistische Zeitrechnung. Als ich aus der Flughafenhalle trete bin ich überrascht. Riesige Straßen mit riesigen glänzenden Autos lassen bei mir den Eindruck entstehen, wir wären in den USA gelandet. Die Taxis haben keine Dachgepäckträger und sehen so tadellos aus, dass wir schon befürchten, uns nähme keiner mit. Schließlich sitzen wir zusammengekauert auf dem Beifahrersitz, unsere Räder und das Gepäck hinter uns und das Taxi saust mit Affenkaracho in die Stadt.

Es ist 1.30 Uhr in der Nacht und die Straßen sind noch voller Leben! Ein Lokal reiht sich an das andere, die Lichtreklamen bunt und grell. Auf der Straße bieten unzählige Stände Bier, Cocktails, Früchte, Fische, Hühnchen, Reiseführer und weiß der Teufel was sonst noch an. Erst das fünfte Hotel hat noch einen Platz für uns, alle anderen sind ausgebucht.

Autos, Autos, Autos, Autos, Autos,…

Was für ein Unterschied. Eben noch in Indien, wo vieles mit Muskelkraft bewegt wird, und plötzlich in Thailand. Wir sehen kaum noch Fahrräder, geschweige denn Ochsengespanne oder Maultiere. Zwar gibt es auch hier kleine mobile Verkaufstische, aber an der Seite ist immer ein Moped.

Wir sind in Bangkok mit dem Fahrrad unterwegs, um Ständer, Tacho und andere Kleinteile zu kaufen. Glücklich über die neuen Teile wagen wir uns weiter in den Stadtmoloch, um auch noch Straßenkarten aufzuspüren.

Am Siam Square sind wir froh, endlich die Reader abstellen zu können. Dort tobt der Verkehr auf vier Ebenen. Ganz unten kreuzen sich zwei Straßen mit jeweils 10 bis 12 Spuren. Über den Straßen führen erhöhte Fußwege quer über die Kreuzung von einem Shopping Center ins nächste. Auf gigantischen Säulen ruhend saust immer wieder der Sky-Train über uns hinweg. Die Säulen sind groß genug, um auch noch die oberste Ebene zu tragen, eine Autobahn.

Wir sind die einzigen Radler auf den vollgestopften breiten Straßen. Aber wir sind nicht die einzigen mit Mundschutz. Viele Tuk-Tuk-Fahrer tragen eine Maske, blasen aber gleichzeitig blaue Wolken hinter sich raus. Ein startender Bus vor mir trübt die Sicht. Ich halte an und lass ihn wegfahren, um nicht auf der Stelle zu ersticken. Manchmal können wir auf kleine Nebenstraßen ausweichen, dann atme ich kurz durch, als wäre ich in einem Schweizer Luftkurort.

Aber es fallen auch positive Seiten im Verkehr auf. Naja, zumindest eine: Es wird häufig Rücksicht auf uns genommen. Wenn wir zum Beispiel die Spur wechseln wollen, und dazu Handzeichen gebe, bremsen die Autofahrer um uns herüberzulassen.

Claudia: Das ist wirklich wie Zaubern und ein krasser Gegensatz zum indischen Verkehr. „Der Stärkere hat Vorfahrt“ war das Motto der letzten drei Monate und so muss ich jetzt aufpassen, nicht rüpelhaft und unhöflich den Fußgängern gegenüber aufzutreten. Aber das kann eh nur auf den kleinen Straßen passieren. Spätestens auf den vier- bis sieben- bis 14-spurigen Straßen ist kein Fußgänger mehr unterwegs. In der Zeitung lesen wir eine Glosse über Phobien und welche für Thailand nützlich sei. Es sei die „Agyrophobia“, die Angst vor großen Straßen.

Das große Schlemmen geht weiter

Es gibt auch ein gemütliches Bangkok, abseits der großen Straßen. Marktstände, kleine Geschäfte und Lokale und überall Essensstände prägen das Bild. Es scheint, als würden die Thais immer und überall essen. Ob im Buchladen, im Fotogeschäft oder am Marktstand: Irgendjemand isst immer. Das steckt an.

Allerdings wird es schwieriger, vegetarisches Essen zu bestellen. Schwein, Hühnchen, Fisch und Meeresfrüchte brutzeln um uns herum. Und gegrillte Insekten: Maden, Heuschrecken, Kakerlaken. So schlemmen wir uns langsam aber vorsichtig in die Thai-Küche ein.

Uwe: Sappa lot ist eine besonders angenehme Seite Bangkoks. Sappa lot heißt Ananas und die gibt es an jeder Ecke, mundgerecht zugeschnitten, gekühlt und einfach superlecker. Und was auch großartig ist: Es gibt Cafes! Es gibt ein Nachtleben! Wir genießen es, abends gemütlich ein Bier zu trinken und erst spät ins Bett zu gehen.

Wat is denn ein Wat?

Wats sind Klöster oder Tempelanlagen und die gibt es reichlich in Bangkok. Sie sehen sehr schick aus mit ihrem spitzen Dächern und den runden Chedis. Wir besuchen den goldenen Berg und den berühmten Wat Pho, mit dem riesigen goldenen liegenden Buddha. Außerdem sehen wir überall kleine „Privat-Schreine“, teils an den erstaunlichsten Stellen. So fällt mir im Vorbeigehen an einer Hinterhofwerkstatt weit hinten der rotleuchtende Altar auf, der aus dem sonst sehr dunklen, ölverschmierten Raum heraus scheint.

Religion ist auch hier, wie schon in Indien, allgegenwärtig. Die Mehrheit der Bevölkerung ist buddhistisch. Viele junge Thailänder gehen für einige Zeit in ein Kloster. Für ein paar Wochen oder für ein paar Jahre. In orangefarbenen Stoff gekleidete Mönche gehören zum Stadtbild.

Noch mit indischen Augen

Claudia und Uwe: Wie wir eine Stadt oder ein Land empfinden, hängt auch davon ab, wo wir herkommen. Immer wieder fragen wir uns, wie wäre es wohl, wenn…. Lange hatten wir zum Beispiel Respekt vor den großen indischen Städten. Nach drei Monaten Indien empfanden wir es in Delhi außergewöhnlich entspannend. Würden wir uns heute locker in den Schlammstraßen von Trivandrum zurechtfinden durch die wir nach unserer Ankunft am 1. Oktober 2002 irrten? Und jetzt Thailand. Alles erscheint uns so sauber, so modern und die Straßen so überdimensional. Hätten uns die Straßen und Autos am Flughafen irritiert und beeindruckt, wenn wir direkt aus Deutschland gekommen wären? So sind wir nun in Thailand und blicken noch mit indischen Augen. Dabei werden wir fast ein bisschen Indien-wehmütig. Wir kommen aus dem Vergleichen nicht raus.

  • In Indien wird noch viel in Zeitungspapier oder vorgeklebte Zeitungspapiertüten verpackt. In Thailand gibt es ueberall durchsichtige Plastiktüten, die zum großen Teil auch das Geschirr verdrängen. Cola mit Eis? Plastiktüte raus, Eis rein, Cola drüber, Strohhalm, fertig. Ganze Sortimente verschiedenster Gerichte werden an den Ständen in Tuten abgefüllt. Der oder die Thai fährt dann mit dem Moped vor, sucht sich fünf bis sechs verschiedene Tüten raus, die kommen dann nochmals in eine Plastiktüte und weiter gehts.
  • Es ist alles so sauber. So haben Essensstände kleine gläserne Vitrinen. Dahinter stehen Frauen oder Männer mit Schürzen und Häubchen. Niemand sitzt mehr auf einem Wagen inmitten der Lebensmittel und haut mit einem alten Lappen um sich, um die Fliegen zu verscheuchen.
  • Mülltonnen. Es gibt zwar viel Plastik, aber das damit verbundene Entsorgungsproblem ist nicht so augen- bzw. nasenauffällig wie in Indien. Die Quellabfuhr fährt den Dreck weg, entsprechend sauberer sind die Straßen.
  • Manchester United, BVB Dortmund und Bayern München. Menschen in Fußballtrikots und -hosen sind so allgegenwärtig wie in Indien die Sarees, Tücher und Schals.
  • Es gibt keine Tee-Buden mehr, die als Nebenprodukt leckeren Yoghurt anbieten. In Thailand gibt es den Yoghurt im Plastikbecher aus dem Kühlregal.
  • Frauen fahren Moped, arbeiten an den Essenständen, tragen kurze Hosen, sind im öffentlichen Leben aktiver.
  • Es gibt kaum noch Radfahrer!
  • Der König ist ueberall zu sehen, auf überdimensionalen Bilder mitten zwischen den großen Straßen und auf Kalendern oder Bildern in den Geschäften. Und er wird unangefochten von allen Thais geliebt.
  • Traditionell werden Dinge nicht auf dem Kopf transportiert, sondern mittels einer Bambusstange über einer Schulter werden zwei Körbe getragen.
  • Die Inder haben keinerlei Hemmungen, auf Ausländer zuzugehen, die Thais sind eher schüchtern und zurückhaltend, wirken teilweise sogar ängstlich und verschreckt.

Ganz abstellen können wir unsere indischen Augen noch nicht, aber es wird Zeit, sich das „Haan, Haan, aze aze aze…“ (Ja, ja, gut gut gut….) abzugewöhnen und Thai „singen“ zu lernen. Thai ist eine Tonsprache. Ein Wort kann je nach Tonlage verschiedene Bedeutungen haben. Dazu ist es eine sehr höfliche Sprache. „kahhhh“ sagt die Frau nach jedem Satz, „kraphhhh“ der Mann. Die „H“s werden immer überbetont. Thai wird fast gehaucht. Das klingt sehr nett, manchmal ein bisschen dünn und auf jeden Fall sehr höflich und zurückhaltend.

Raus aus der Stadt

Uwe: 16. Januar 2003. Ehe wir uns versehen sind wir schon eine Woche in Bangkok. Heute geht es endlich weiter. Claudia freut sich, dass uns ein Zug aus den städtischen Großraum rausfährt. Allerdings messen wir früh aufstehen und uns zunächst sechs Kilometer durch die Stadt zum Bahnhof vorkämpfen. Der Verkehr ist auch um 6.30 Uhr schon heftig, und auch die Luftverschmutzung. Trotzdem sehen wir in einem öffentlichen Park eine Gruppe von ungefähr 100 Thailändern Aerobic machen. Überhaupt gehen manche Einheimische offenbar locker mit der Verkehrsbelastung um. An einer Ampel steht eine Frau mit ihrem Moped neben mir. Ein Kind sitzt vor ihr auf dem Tank und hat den Kopf auf ein Kissen gelegt. Es schläft. Mitten im Dunst der Abgase.

Wieder lassen uns Autofahrer im dicken Verkehr rücksichtsvoll die Spuren wechseln. Ein Tuk-Tuk-Fahrer laechelt zu mir rüber und macht mir mit einer Geste Mut. Die Zeit wird knapp, wir müssen noch ein Ticket kaufen. Aber was in Indien mehrere Stunden dauern kann, geht in Bangkok innerhalb einer Minute. Und ein Schaffner ist sehr hilfsbereit und hilft uns beim Einladen der Räder. Kaum im Zug fahren wir schon ab. Jetzt geht es an’s Meer. Auf eine Insel im Osten Thailands.