Vietnam: Von Lao Bao bis Nha Trang

Das schmale Land am südchinesischen Meer besteht aus vielen Bergen, Sandstränden, Küste – ein Urlaubsparadies. Auf eigensinnige Reisende ist es jedoch noch nicht so recht eingestellt. Vietnam ist „das Schlimmste und das Beste in Südostasien“ hat uns Peter, ein schwedischer Radreisender eingestimmt.

Voll das Leben

Claudia: Hinter der Grenze begrüsst uns Lao Bao als erster Ort in Vietnam. Wo kommen bloss plötzlich so viele Leute her? Die Strassen sind voll mit Menschen, meist zu Fuss, auf dem Fahrrad oder auf dem Moped. Es gibt keine Röcke mehr. Die Frauen tragen Hosen und konische Palmenhüte. Die Häuser sind fast alle gemauert, wenn auch oft nur ein Zimmer breit und zwei Zimmer hoch.

Und überall die Werbeschilder. Nach dem sozialistischen Laos wirken die vielen Leuchtreklamen im ebenfalls sozialistischen Vietnam auf uns richtig kapitalistisch. Doch auch wir sind leichte Beute der Leuchtwerbung, verspricht diese doch vor allem eins: vietnamesischen Kaffee! Da können wir doch nicht einfach dran vorbei radeln. Zudem ist vor uns ein Berg und eine dicke Gewitterwolke und gegen uns der Wind. Wir kehren also ein und bleiben da, gleich im ersten Ort direkt hinter der Grenze.

Geknuffe und Gepuffe

Uwe: Die Menschen sind nicht nur neugierig auf uns Auslaender. Sie gehen auch gleich auf uns zu. Und fassen an. Ein junger Mann im Cafe spricht etwas Englisch. Er hat viel Spass dabei, mir ordentlich in die Seite zu kneifen, dass ich jedesmal zusammenzucke. Als wir uns das Zimmer in Lao Bao anschauen, nutzen gleich zwei Kerle die Gelegenheit, auf unsere Raeder zu steigen. Eine Frau knibbelt ganz nebenbei an dem Thailand-Kleber auf meinem Fahrrad rum. Mir bleibt nichts anderes uebrig, als ihr auf die Finger zu hauen. Naja, oder so zu tun.

Auch Claudia erhaelt ab und zu ihre Portion Kontakt zu den Einheimischen. So ein freundschaftlicher Klaps auf den Ruecken von Frau zu Frau scheint auch nicht zimperlich zu sein. Unsere ersten Begegnungen in Vietnam sind herrlich kontaktfreudig und unkompliziert.

Fahrt in’s Blaue

So, 6.4.03, von Lao Bao nach Aloei. Wir wollen quer durch die Berge fahren. Die Auskuenfte zur Strecke sind eher duerftig. Die Fahrt am Fluss entlang entpuppt sich als staendiges Auf und Ab mit Blick auf einen mal mehr mal weniger entfernten Fluss. Ein wenig zermuerbend, aber die Strasse ist angenehm ruhig und wir sind gut in der Zeit, denken wir.

Die Haenge sind zum Teil mit dichtem Wald bewachsen, zum grossen Teil aber recht baumlos und wenig bewachsen. Ein Relikt aus dem Amerikanischen Krieg, in dem die Amerikaner grosse Flaechen des Waldes mit dem furchtbaren Gift „Agent Orange“ entlaubt haben, fuer lange Zeit. Der absurde amerikanische Versuch, Vietnam vor dem Kommunismus zu „retten“, endete nach 10 Jahren mit einer Gruselbilanz von ca. 2 Millionen vietnamesischen Kriegstoten und 50.000 toten amerikanischen Soldaten.

Fuer uns ist es ganz merkwuerdig, durch Vietnam zu radeln, die vielen Kriegsschaeden zu sehen und gleichzeitig die aktuelle Diskussion ueber Krieg im Irak zu hoeren.

Abgesehen von den zahlreichen Baustellen ist die Strasse gut befahrbar. Sie ist Teil des alten Ho Chi Minh Trails, ein Geflecht aus Strassen, Wegen und Pfaden, das im Krieg eine wichtige Rolle als Nachschub-Weg gespielt hat. In den Doerfern rufen uns die Kinder „Hello“ zu. Auslaender sind hier bestimmt sehr selten. Und wir sehen Leute, die wir sonst selten sehen. Die alten Frauen mit Pfeife oder dicker Zigarette im Mund und den schwarzen Zaehnen sehen irgendwie witzig aus. Witzig ist auch, dass es in jedem Dorf, auch wenn es nur aus ein paar Holz- oder Strohhuetten besteht, einen Billardtisch gibt.

Mit der Zeit verdichtet sich der Verdacht, dass es bis Aluoei doch weiter ist als vermutet. Als wir mal wieder an einer Baustelle fragen, bemerken wir es an einer spontanen Geste: Ein Arbeiter massiert mein verschwitztes Bein. 50 Kilometer sollen es noch sein. Dabei zeigt der Tacho schon ueber 70 und die Uhr 15.30. Als dann kurze Zeit spaeter auch noch dicke Wolken ueber die Berge ziehen, fragen wir in einem groesserem Dorf nach einer Unterkunft. Aber ausser zu Essen wird uns nichts angeboten.

Unsere Nervoesitaet nimmt langsam zu. Dafuer ziehen die Wolken weiter, wir auch. Landschaflich wird es immer schoener, nur koennen wir es nicht so richtig geniessen. Koennen wir es ueberhaupt bis Aluoei schaffen? Wo sollen wir unterkommen? Es daemmert bereits als der Tacho 90 zeigt. Die Beine wuerden gern zur Ruhe kommen. Statt dessen gehts jetzt richtig bergauf. Immer wieder passieren wir kleine Lager an den Baustellen, wo die Arbeiter schlafen. Vielleicht auch dort schlafen? Claudia findet die Idee nicht so gut und spaetestens nachdem wir im Vorbeifahren eine Schlaegerei sehen, scheidet auch fuer mich diese Option aus.

Bei 600 Hoehenmetern ist Schluss mit Anstieg und wir rollen beim allerletzten Licht in eine idyllische Hochebene von aufragenden Bergen umrahmt. Ein schoender Ort zum Uebernachten, eigentlich. Im Dorf fragen wir, ob wir unser Zelt aufbauen koennen. Wir werden zu einem Gebaeude mit Vietnam-Flagge geschickt.

Aha, ein Polizeiposten. Dann koennen wir also hier unser Zelt aufbauen? Aber ausser uns umstaendlich zu registrieren, haben die Herren nichts zu bieten. Jetzt ist es wirklich dunkel. Sie schicken uns weiter nach Aluoei. „Aber wir haben doch kein Licht“ beten wir immer wieder runter. „Wir koennen doch nicht in der Nacht fahren“. Sie scheinen zu verstehen, was zur Folge hat, dass einer mit dem Moped vor uns herfaehrt, um uns den Weg zu beleuchten.

Will er dass jetzt etwa 20 Kilometer weit machen? Aber nach zwei Kilometern landen wir lediglich bei einem groesseren Polizei-Posten. Ein unfreundlicher Offizieller gibt uns unmissverstaendlich zu verstehen, dass wir weiterfahren muessen, nach Aluoei. Er laesst ueberhaupt nicht mit sich reden. Na gut, also Lampe raus und weiter. Wir sind erstaunt, wie viele Leute bei voelliger Dunkelheit (Neumond) in dem schwachen Lichtkegel meiner Fahrradlampe auftauchen. Gegen 20.30 Uhr rollen wir endlich ueber hell beleuchtete Hauptstrassen und finden auch bald eine Unterkunft. Nach 123 Kilometern wird dann doch alles gut und die einfache „Instant-Nudelsuppe“ schmeckt uns so gut, dass wir noch eine zweite bestellen.

Claudia: Wir sind echte Vietnam-Anfaenger. Nachdem es in Thailand und Laos so einfach war, irgendwo unterzukommen, steht Vietnam dem Individualtouristen viel skeptischer gegenueber. Die Vietnamesen duerfen Auslaender in ihr Haus gar nicht aufnehmen. Kein Wunder also, dass wir nirgendwo eingeladen, sondern gleich zu den Offiziellen geschickt wurden. Nachts zu radeln scheint jedenfalls unkritischer zu sein als nachts zu schlafen. Naja, man stelle sich die zwei weltreisenden Araber oder Afrikaner vor, die in Dingden oder einem anderen Dorf in Deutschland nach einer Unterkunft fragen oder gar ihr Zelt aufstellen wollen.

Land der kurzen Woerter

Von Aluoei geht es quer durch Vietnam zur Kueste nach Hue. Hue? Hue? Dieser Ort aus harmlosen drei Buchstaben bestehend, ist schier unaussprechbar. Immerhin gibt es in Vietnam keine Spaghetti-Schrift mehr, sondern lateinische Buchstaben, wenn auch mit allerlei Zusatzschnoerkeln. Es ist also schon mal lesbar. Dabei hat ein Wort ungern mehr als eine Silbe. So werden Woerter wie Viet Nam und Hon Da gern getrennt geschrieben. Das Wort Xe Dap (Fahrrad) ist zum Glueck auch fuer uns einfach auszusprechen.

Fuer die Vietnamesen scheint es dagegen leicht zu sein, deutsch auszusprechen. Als wir von Bauarbeitern nach Zigaretten gefragt werden, rufe ich „Hamm wa nich“. Akzentfrei ruft einer der Arbeiter „Hamm wa nich“ zurueck.

Schwimmen im Moped-Schwarm
Uwe: In und um Hue gibt es zahlreiche aufwendige Graeber von frueheren Herrschern. So rollen wir an mehreren davon vorbei in die Stadt. Der erste Eindruck ist sehr nett. Viel gruen zwischen den Haeusern und lebendige Strassen mit Fahrradfahrern, vielen vielen Mopeds und nur sehr wenigen Autos.

Auf einer Spur gibt es fuenf bis zehn variable Mopedspuren nebeneinander. Wenn ein Auto da durch will, bleibt ihm nichts anderes uebrig, als sich langsam in der Mitte durchzubahnen. Der Strom von Zweiradfahrern ist faszinierend. Abgesehen von wenigen grossen Kreuzungen, wo tatsaechlich jeder an der roten Ampel stehenbleibt, bahnen sich die Fahrer einfach den Weg durchs Gewuehl. Wenn die Richtung nicht der grossen Masse entspricht, dann wird man irgendwie umflossen und wenn man seinen Kurs einfach langsam fortsetzt, machen alle schoen Platz. Solange nichts Unvorhergesehenes passiert, funktioniert das prima und macht Spass.

Die Hauptsehenswuerdigkeiten Hues sind die Relikte aus frueheren Zeiten. Bis vor 60 Jahren lebten hier Maechtige der Nguyen-Dynastien und liessen sich prunkvoll begraben. Wir schauen uns das Grab von Tu Duc an, das er selbst zu Lebzeiten hat bauen lassen. Deshalb ist es auch vielmehr ein Palastkomplez mit Parkanlage. Allerdings von „Exkursionen“ auf dem kleinen Teich zu sprechen, wie es die Infotafeln tun, scheint uns doch etwas uebertrieben. Aber fuer ein bisschen Unterhaltung mit seinen zahlreichen Konkubinen hats bestimmt gereicht.

Zittern vor dem Highway
Claudia: Der Highway No 1, das ist die grosse Strasse in Vietnam. Sie fuehrt von Nord nach Sued an der spektakulaeren Kueste entlang. Highway No 1, das bedeutet aber auch Dieselruss von LKWs und Bussen und superlaute Hupen der selbigen. So eilt dem Highway ein sehr schlechter und ein sehr guter Ruf voraus. Vor meinem geistigen Auge sehe ich schon so was Aehnliches wie einen indischen Highway. Ich bin aufs Schlimmste gefasst.

Dafuer entpuppt sich die groesste Strasse Vietnams dann aber doch als recht klein. Sie fuehrt mitten durch Doerfer und kleine Staedte. Reis wird auf dem Strassenrand getrocknet, viele Radfahrer und einige Fussgaenger sind unterwegs. Eine Pest sind allerdings die Busse und LKWs. Hupen statt Bremsen ist die Devise und die Hupen sind nervtoetend. Ich habe immer wieder Angst, dass jemand direkt neben mir hupt. Das bedeutet bestimmt ein paar Prozent Hoerverlust. Aber es ist alles in allem nicht so viel Verkehr.

Und so machen wir vor den stinkenden dicken Karren brav Platz und wenn sich zwei von der Sorte ein Rennen leisten, gehen wir erst recht aus dem Weg.

Dass auch noch andere laut hupen koennen merken wir ploetzlich, als es von rechts laermt. Aus einer Lokomotive strahlt uns ein Vietnamese an und winkt und begleitet uns ein Stueck des Weges, solange seine Schienen es erlauben.

Schick in die Schule

Uwe: Immer wieder sehen wir Horden von radelnden Schulkindern. Die Maedchen sind ganz traditionell gekleidet. Lange Hose und ein kleidaehnliches Gewand, darueber, meistens alles in weiss. Ao Dai heisst dieses Kleidungsstueck. Dass sie damit radfahren koennen, ist schon verblueffend. Geschickt setzten sie sich auf das wallende Rueckteil. Oft halten sie das Vorderteil in der Hand am Lenker.

Mit ihrem Sonnenschutz – langaermelige Handschuhe, Muetze und Gesichtstuch sehen sie ganz speziell aus. Wir fragen uns immer wieder, ob sie noch was sehen koennen. Auf dem Fahrrad sitzen sie superaufrecht wie auf einem Hollandrad.

Hai Van Pass

Sauber 500 Meter rauf und am gleichen Tag wieder runter bei nur 40 Kilometern Gesamtstrecke. Das ist doch gerecht und nett. Wir radeln auf den Hai Van Pass. Der Zwei-Winde-Pass teilt Vietnam in zwei Klimazonen. Und dann geniessen wir die Abfahrt nach Danang, das wir schon im Dunst erkennen koennen.

Auf ueberdimensionierter neuer Strandpromenade radeln wir die letzten Kilometer. Eine Menschentraube am Strand macht uns neugierig.

Ungefaehr 50 Leute stehen dicht gedraengt um einen fuenf Meter langen Fisch mit riesigem breiten Maul, ein Wal oder Hai? Er wurde wohl an den Strand geschwemmt und wird nun feierlich beerdigt. Ein paar Maenner graben ein grosses Loch in den Sand. Dann wird der riesige leblose Koerper mit viel Muhe in sein Grab gerollt. Raeucherstaebchen und kleine Opfergaben in Form von Keksen und Kuchen werden mit ins Grab geworfen. Ich frage mich, ob man das die naechsten Monate riechen wird.

Danang. Der Ausblick von der Dachterasse unseres Hotels ist umwerfend. Die Stadt ist an verschiedenen Seiten vom Meer und von Bergen umgeben. In der Ferne ist der Hai Van Pass als Kerbe in der aus dem Meer aufsteigenden Bergkulisse zu erkenne. Abends sehen wir die Busse und LKWs als kleine Leuchtpunkte am Hang. Dahinter tuermen sich viel hoehere Berge. Danang ist wenig touristisch. Die meisten zieht es zu den nahegelegenen Straenden, von denen der My Khe Beach am bekanntesten ist. Zu Zeiten des Krieges haben sich die amerikanischen Soldaten hier erholt. Fuer sie war es der „China Beach“.

Alte Bekannte
In Danang gibt es ein Cham-Museum. Die Chams haben vom 4. bis 12. Jahrhundert einen Teil Vietnams (von Danang bis Phan Rang) beherrscht. Durch Piraterie und Handel haben sie es zu betraechtlichem Reichtum gebracht und viele Kulturstaetten und Baudenkmaeler hinterlassen.

Im Museum sind Skulpturen, kleine in Stein gehauene Bildergeschichten und Teile von Bauwerken zu sehen. Wir sehen viele alte Bekannte aus Indien wieder: Gott Ganesh mit dem Elefanten-kopf, Shiva und andere Hindu-Goetter.

Die Figuren sind in Sandstein gehauen und laecheln zeitlos. Die Chams waren von Indien stark beeinflusst.

Abkuehlen oder gesund bleiben
Seufz. Im Eis sind immer kleine Sachen, schwarze Punkte und derlei. Wir sitzen in Danang im Cafe. Einmal mehr beobachten wir, wie in Vietnam mit Eis umgegangen wird. Ein Mopedfahrer haelt direkt vor unserem Tisch. Auf dem Gepaecktraeger hat er einen grossen Eisblock, ohne jegliche Verpackung. Der Block wird auf dem Gehweg abgeladen und von dort mit einem Fleischerhaken ueber den Boden durch das Cafe geschleift. Da sammelt sich schon so einiges an Schmutz an. Dann sehen wir, wie der Eisblock auf dem Fussboden in kleine Stuecke gehackt wird. Die herumfliegenden Stuecke werden zusammengesammelt und dann in einen Isoliereimer gegeben. Das ist das Eis, das dann schliesslich in den Glaesern und Tassen landet. Selbstverstaendlich mit der Hand eingefuellt. Schade, schade. Zumal ueberall in Vietnam diese Eisstueckchen zum Kuehlen verwendet werden. So trinken wir heissen Kaffee und warme Cola und bestellen zum Erstaunen der Kellner „khong so da“ – ohne Eis.

Claudia: Hoi An ist schrecklich touristisch. Eine schoene alte Stadt, vormals fuer die Schneidereien bekannt. Heute bedeutet das: ein unglaublich aufdringliches Angebot an Klamotten und Schuhen. Wir fluechten aus der Stadt an den nahegelegenen schoenen Strand.

Da kommt die Ananas

„Ich weiss, ihr wollt eure Ruhe, wollt euch erholen, aber das geht jetzt nicht“ zack, jetzt sollen wir Armbaender kaufen. „Pineapple is coming“ sagt die Verkaeuferin und weist in die Ferne. Zielstrebig laeuft die naechste Verkaeuferin ueber den Strand auf uns zu. Tatsaechlich: Ananas. Am Strand in der Naehe von Hoi An gibt es keine ruhige Minute. Auch Schlafen-stellen nutzt nix. „Es ist verboten, am Strand zu schlafen“ laermt es von weitem. Grins. „Es ist auch verboten, am Strand zu lachen“. Die junge Frau – schon wieder Armbaender – ist voellig vermummt zum Schutz vor der Sonne, mit Palmenhut, Gesichtstuch und mit vier Paar Wollhandschuhen, zum Schutz vor den Trageriemen.

Endlich findet Uwe das richtige Antikaufargument: „Wo sind denn die Cham-Inseln?“ Schlechte Sicht heute, ist die Antwort. „Schade, keine Cham-Inseln, kein Geschaeft“. Sie nimmts mit Humor. „No Cham-Islands, no business“ bruellt sie auch ihren Kolleginnen entgegen.

Uwe: Am Strand lernen wir auch Liem kennen, der uns fuer den naechsten Tag zum Fruehstueck einlaedt. Es gibt es eine Art Gemuese-Ratatouille und Nudeln. Der Vollmond erspart uns Fleisch zum Fruehstueck, denn traditionell wird an diesem Tag fleischlos gegessen. Dazu gibt es reichlich vietnamesischen Tee. Liem spricht gut Englisch, aber mit dem Rest der Gastfamilie koennen wir uns leider nur begrenzt verstaendigen. Dabei ist gerade der Hausherr so bemueht, schenkt uns immer wieder Tee nach und laechelt so nett.

Vollmond-Fest mit Lichtern und Tierbingo
In Hoi An werden zum Vollmond alle Haeuser mit huebschen bunten Lampen geschmueckt und auf den Strassen sind nur noch Fussgaenger unterwegs. Vom Restaurant am Fluss beobachten wir, wie drei Frauen in einem Boot schier unaufhoerlich kleine bluetenformige Laempchen mit Kerzen auf das Wasser setzen, die sich durch den Wind auf dem Fluss verteilen. Auf dem kleinen Platz gegenueber findet irgendein Spiel statt. Ein Mann moderiert in einer Art Sprechgesang. Das Spiel wird von Trommlern begleitet, in zackigem Rhythmus. Menschen mit Plaettchen in der Hand klopfen mit Faehnchen im Takt drauf rum. Eine junge Vietnamesin erkennt wohl unsere Fragezeichen im Gesicht und erklaert uns das Spiel. Vor jeder Runde kann man Holzplaettchen mit Tier-Symbolen drauf kaufen. Dann faengt der Moderator an zu singen und zieht dabei immer wieder ein Symbol aus einem Korb, das der fuer alle sichtbar aufhaengt. Wer das Symbol auf seinem Plaettchen hat, erhaelt eine Fahne. Mit drei Fahnen gewinnt man eine traditionelle kleine Laterne oder eine Musikcassette. Ist Bingo in Vietnam erfunden worden?

Mit dem Bus fahren wir von Hoi An nach Qui Nhon, wollen uns ein bisschen Highway sparen. Im Bus wird uns schnell klar, dass es womoeglich sicherer ist, mit dem Rad unterwegs zu sein. Der Busfahrer faehrt greulich. Zudem fahren wir an drei Unfaellen vorbei. Die zerschellten Windschutzscheiben und demolierten Trucks lassen nichts Glimpfliches ahnen.

Uwe: Qui Nhon ist eine kleine Stadt. Sie liegt von Huegeln umgeben auf einer Halbinsel. Am schoenen langen Strand gibt es ein grosses Fischerdorf. Mit seinen engen, verwinkelten und schmutzigen Gassen ist es ganz anders als das staedtische Qui Nhon. Eine kleine Welt fuer sich.

Die Haeuser stehen auf Holzpfaehlen und der Strand wird fuer alle moeglichen Aktivitaeten des taeglichen Lebens genutzt – Markt, Essenstaende, Fussball, Bootsbau.

Im Wasser liegen unzaehlige Boote und auf dem Strand steht noch eine Flotte auf Pfaehlen zur Wartung. Dazwischen werden neue Boote gebaut, zu sehen sind momentan nur die Bodenplanken. Wir laufen am Wasser entlang und merken schnell, dass hier nicht allzu viele Auslaender vorbei schauen. Die Kinder sind ganz neugierig und aufgeregt. Als Claudia die Kamera rausholt, kreischen sie bei jedem Blitz. Ein Maedchen setzt sich auf Claudias Gepaecktraeger und faehrt ein bisschen mit. Ein „Fussballfeld“ reiht sich an das naechste.

Ploetzlich sehe ich, wie ein Mann nur wenige Meter neben mir einfach so auf dem Strand sein Geschaeft verrichtet. Hockend bewegt er sich ein bisschen von seinem breiigen Haufen weg, stinkt ihm wohl selbst zu sehr. Und jetzt bemerke ich auch die vielen anderen Haufen um uns herum. Mit einem Schlag wird mir bewusst, welche hygienischen Probleme mit dem Dorfleben hier am Strand verbunden sind. So viele Menschen leben hier auf engstem Raum. Sie erscheinen uns auch ein bisschen an den Strand gedraengt. Wie verstehen sich wohl die Stadt-Qui Nhoner mit den Strand-Qui Nhonern?

Weiter der Kueste entlang

Fr, 18. April 2003. Die Kuestenstrasse windet sich in stetigem Auf und Ab herrlich ueber dem Meer entlang. Immer wieder liegen wunderschoene Straende und Fischerdoerfer unter uns. Die Landschaft ist im Nachmittagslicht besonders schoen und gerade noch rechtzeitig kommen wir in Song Cau an.

„Hotel? 16 Kilometer“ hoeren wir hier. Nein, wir wollen doch nicht zurueckfahren. Den ueblichen nichtssagenden Zeigebewegungen folgend irren wir durch Song Cau.

Endlich finden wir dort zwei Gasthaeuser. Beide schicken uns jedoch wieder weg. „Police“ heisst es nur unfreundlich. „Hotel, 16 Kilometer“, meint auch die Polizei. Wir bleiben hartnaeckig. Nein, wir fahren nicht zurueck. Wir wollen hierbleiben, in einem der Gasthaeuser. Nach langem Hin und Her, Registrieren und Telefonaten auf der Polizeistation ist es endlich geschafft. Wir haben die Erlaubnis, im Ort uebernachten zu duerfen. Eines der Gasthaeuser nimmt uns endlich auf. Puh, das ging gerade noch mal gut.

Zeigebuch versagt
Mit einer Geste versuche ich herauszufinden, wo wir etwas essen koennen, ernte aber nur wieder diese legendaere Zeigebewegung. Claudia versucht es mit dem „Ohnewoerterbuch“, zeigt auf eine Restaurantabbildung mit Tischen und Stuehlen. Ah ja. Wir werden in einen Hinterhof geschickt. Schon von weitem sehen wir Tische und Stuehle, die tatsaechlich genauso aussehen, wie in der Restaurantabbildung des kleinen Buches! Aber das vermeintliche Restaurant entpuppt sich als Moebelladen.

Direkt am zentralen Platz des Ortes werden wir endlich fuendig. Um uns herum brettern immer wieder grosse LKWs und Busse, der Highway 1 fuehrt mitten durch Song Cau. Als wir uns spaeter auf einer kleinen Bank am Platz niederlassen, kommen die ersten Neugierigen. Und ganz schnell sind wir voellig umringt. Mein uebers Bein geschlagenes Bein ragt zwischen die Leute.

Morgens auf dem Markt faellt uns das Vieh auf, das teils grausig transportiert wird. Neben meinem Fahrrad steht ein Moped mit einem einfachen Holzgeruest auf der Sitzbank. Daran sind Enten befestigt. Die Fuesse am Geruest geknotet haengen sie wie Saecke nach unten, rechts und links jeweils so zehn Stueck. Mansche recken ihre Haelse nach oben, manche haengen einfach so da. Bei einer sieht man das Herz ganz fuerchterlich wummern.

Auch auf der Strasse sehen wir oft „Fleischtransport“ – ein junges Rind hat die Beine zusammengebunden und liegt einfach so auf der Seite auf dem Gepaecktraeger eines Mopeds. Schweine liegen im Gepaeckfach eines voellig ueberfuellten Reisebusses. Tiere werden gepackt wie auf einem

Mit viel Gegenwind quaelen wir uns gen Dai Lanh. Unterwegs sehen wir in den Ebenen ueberall Reisernte. Reis wird geschnitten, geschuettelt, auf der Strasse getrocknet, in Saecke gepackt, abtransportiert. Wir kommen im Laufe des Tages an allen Stadien der Ernte vorbei. Am Nachmittag noch ein kleiner Pass, dann belohnt uns Dai Lanh mit einem breiten herrlichen Strand. Wuehltisch.

Gewissenhafte Gymnastik
Am naechsten Morgen verheisst der Blick aus dem Fenster den baldigen Sonnenaufgang. Wir schleppen uns muede auf den Strand und sind ueberrascht. Da ist echt was los. Ob es daran liegt, dass Ho Chi Minh, der geistige Vater des heutigen Vietnams, gesagt hat, dass Sport gut ist? Jedenfalls ist der Strand belebt von Bewegungsfreudigen. Direkt vor uns schwingen schon etwas betagte Frauen Beine und Arme durch die Luft, waehrend die ersten Sonnenstrahlen ueber der Insel vor uns auftauchen. Nach dem Sonnenaufgang ist der Strand wieder wie leergefegt. Wir zeigen uns von den Sportlichen unbeeindruckt und verbringen stattdessen die naechsten Stunden faul im Liegestuhl am Strand.

Am Nachmittag spazieren wir ueber den Strand zur Ortsmitte. Hier findet gerade ein Fest statt. Zahlreiche Frutterbuden am Strand und eine Theaterbuehne sind aufgebaut. Auf der kleinen Buehne kreischen grell geschminkte und aufwendig kostuemierte Akteure in an Kabeln herunterhaengende Mikrofone. Vor der Buehne sitzen ein paar Musiker mit Trommeln und Saiteninstrumenten und begleiten das Geschehen.

Das ganze wirkt wie eine Mischung aus indischem Kathakali und der thailaendischen Neo Death Gruppe in Chiang Mai.

Bis Nha Trang fahren wir nochmals ein wunderschoenes Stueckchen Kueste. Aber auch die Stadt Nha Trang selbst hat ihre Reize …