Paraguay


Paraguay


Die Freundschaftsbrücke verbindet Paraguay mit Brasilien

Spricht man von Paraguay ist ganz oft von Korruption die Rede. Ist es hier tatsächlich noch schlimmer als in den anderen Ländern Südamerikas?

Paraguay, jetzt erst recht

Claudia: Nachdem uns die Polizei am Vortag den Transit nach Foz de Iguacu verweigert hat beschließen wir, am nächsten Tag mit dem Bus nach Asuncion, der Hauptstadt Paraguays, zu fahren. Aber das liegt weniger an den unfreundlichen Polizisten, als vielmehr an den Menschen in der Grenzstadt Juan Pedro Caballero. Ausnahmslos alle, mit denen wir zu tun haben, sind total nett. Allen voran Mario, der Milchfahrer. Ihn treffen wir doch tatsächlich am nächsten Abend wieder. Mit ein paar Kumpeln steht er in der Nähe eines kleinen Parks, um Bierdosen zu leeren. Wir kommen nicht umhin, auch zwei Dosen mitzutrinken. Einer meint, er hieße wie Uwe und rennt gleich los, um seinen Pass zu holen. “Huber” steht da!? Auf Brasilienisch ausgesprochen klingt das tatsächlich ein bisschen wie „Uwe“. Mario und Co warnen uns – wie schon viele vorher – vor Asuncion. Räuber, Diebe, gefährlich. Nicht so wie hier, sagen sie, hier ist es sicher. Claro, denken wir, immer ist es anderswo gefährlich. Dabei steht über euer schönes Kaff eine Reisewarnung der deutschen Botschaft im Internet. Aber das sagen wir natürlich nicht. Und wir wollen uns selbst ein Bild machen von Asuncion.

Im Park gibt es noch eine Kuriosität: einen Fahrradmarathon. Ein junger Mann radelt 5 Tage und 4 Nächte immer im Kreis rum. Der Arme hat schon ganz verbundene Hände und Füsse. Wir radeln derweil brav etliche Kilometer zwischen den beiden Behörden hin und her, bis wir endlich die notwendigen Stempel in unseren Pässen haben.

War früher alles besser?

Im Paraguay-Kapitel unseres Reiseführer ist so ziemlich alles falsch…nur eins stimmt. Zum Hotel Azara in Asuncion heißt es: “It surely has seen better days”. Alles ist total abgegammelt.

“It surely has seen better days” – dieser Satz scheint für die ganze Stadt zu gelten. Wir laufen durch einen öffentlichen Park. Er ist völlig heruntergekommen, war aber vielleicht mal ganz nett. Das Loch mit dem Gestrüpp und Müll war vielleicht mal ein Teich? Im umgefallenen Baum wippen viele Kinder herum. Könnte ja sein, dass er dort zum Spielen liegt. Aber darunter sind Unmengen von Glasscherben, so dass wir hoffen, dass keines der Kinder da reinfällt. Asuncion liegt am Fluss, am Rio Paraguay.

Flussufer sind doch oft schön. Nicht hier. Hier fällt nur besonders ins Auge, wie groß die Kluft zwischen arm und reich ist. Am Flussufer sind die Slums, direkt gegenüber große, überdimensionale Gebäude der Regierung. Am Abend, sobald es dunkel wird, wirds noch unangenehmer. Dann sind die Straßen leergefegt. Das erinnert an Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas. Keiner traut sich nachts mehr raus. Zu gefährlich?

Countdown zu Jesus Geburtstag

7,6,5,4,3,2,1….Feliz Navidad!!! Um Punkt 0 Uhr wünschen sich in Paraguay alle Frohe Weihnachten. Auch ein paar Kracher gehen in die Luft. Wir haben das Gefühl, als wäre es schon Sylvester. Aber kurz darauf ist es wieder still. Am ersten Weihnachtsfeiertag hat nur der Imbissstand in der Tanke geöffnet, ist dafür aber gut besucht. Hier gibts fiese fleischgefüllte Teilchen. Besser als nix. Immerhin kriegen wir in einer “deutschen Bäckerei” gutes Brot und sogar Christstollen. Dort kaufen wir auch eine deutsche Zeitung.

Beim Lesen verstärkt sich der Eindruck, dass wir uns in einem Gauner- und Schurkenstaat befinden. Raubüberfälle, Entführungen und politische Morde gehören zum Leben. Und dass ein Spitzenpolitiker nebenbei eine Privatschule betreibt, in der zufällig seine Tochter den besten Abschluss macht, passt ins Bild. Ein brasilianischer Abgeordneter fordert gar die militärische Besetzung Paraguays, da alle Wege des organisierten, internationalen Verbrechens nach Paraguay führen würden.

26.12.03, wir radeln los, ohne so recht zu wissen wohin. Sechzig Prozent der Autos in Paraguay sollen gestohlen sein, etliche davon vermutlich mehrmals. Aber auf den Straßen fahren fast nur alte Stinkkarren. Dicke Russwolken wehen uns entgegen. Jedes Land, aus dem diese Autos gestohlen wurden, kann froh sein über den Verlust an Luftverpestung.

“Alles Scheiße in Paraguay”

In einer Pause in Luque spricht uns ein Schweizer an, den die Liebe nach Paraguay verschlagen hat. Wo können wir am besten fahren, welche Strecke ist die schönere? Doch aus dem Guten ist wenig Gutes rauszuholen. „Ach, ist doch alles Scheiße…“

Die Straße 2 Richtung Ciudad del Este ist groß und stark befahren. Nicht schön. Aber schlimmer noch sind die dicken Asphaltbuckel auf dem Seitenstreifen. Sie sollen verhindern, dass über den Seitenstreifen gebrettert wird. Sie nehmen uns aber auch jegliche Fahrfreude. Wir buckeln von Speedbumper zu Speedbumper. Auf der Straße fahren geht auch nicht, da tolerieren uns die Raser nicht.

Voll, voller, am vollsten

Uns reichts jetzt auch. Wir wollen mit dem Bus zur Grenze. Gleich der nächste mit der Aufschrift “Ciudad del Este” nimmt uns mit. Obwohl er eigentlich schon voll ist. Aber das lässt sich von aussen nicht erkennen. Es ist einer dieser großen Ueberlandbusse mit getönten Scheiben, Klimaanlage, Trennungstür zwischen Busfahrer und Passagieren – vielleicht aus Brasilien geklaut? Hier wird er jedenfalls mehrfach ausgelastet. Auf zwei Sitzplätzen tummeln sich ganze Familien, die Kinder wechseln sich geduldig ab, wer steht oder auf dem Schoß sitzen darf. Eine reisekranke Frau hockt auf dem Boden und kotzt. Die Klimaanlage versagt. Erbarmungslos nimmt der Bus immer noch weitere Gäste auf. Die Masse im Gang, in dem auch wir gequetscht stehen, wird immer noch weiter gedrückt. Dann kommt eine Verkäuferin mit einem großen Teller mit aufgetürmten Käsegebäck-Kringeln auf dem Kopf. “Das ist echt zu voll, die kann hier nicht noch durch!”, meint Uwe. Doch, sie kann. Es ist mir unbegreiflich wie, aber sie quetscht sich durch den ganzen Bus und kommt mit nur wenigen Kringeln auf dem Kopf eine viertel Stunde später wieder an uns vorbei.

Die Familien rechts und links schlagen da nochmal zu. Erstaunlich, denn das Zeug ist so staubtrocken, dass wir, als wir es mal probiert haben, zu zweit zwei Stunden daran gewürgt haben. Es gibt sie in Paraguay überall, diese Käsekringel.

Auch überall gibt es Mate. Pilger und Polizisten, Fahrer und Verkäufer, kaum einer scheint ohne Mate auszukommen. Der typische Paraguayano läuft mit einer großen Thermoskanne und einem Teebecher herum. Ab und zu kann man sich an einem der vielen Kräuterstände frische Kräuter in die Tasse stopfen lassen. Nett sind sie schon, die Paraguayanos. Auch wenn wir viel über Paraguay fluchen. Es ist das Land, in dem wir am meisten Bier spendiert bekamen.

Schmuggler-Show

Uwe: Am Nachmittag erreichen wir Ciudad del Este. Die Stadt wird auch als das “größte Kaufhaus Südamerikas” beschrieben. Zu kaufen gibt es vor allem Elektronikartikel und Plastikspielzeug. Problemlos bekommen wir an der “Freundschaftsbrücke” zwischen Ciudad del Este und Foz de Iguacu unseren Ausreisestempel.

Auf der Freundschaftsbrücke zwischen Paraguay und Brasilien herrscht reger Schmuggel-Betrieb. Im Flug landen die Pakete aus Paraguay auf brasilianischem Boden.

Die Brücke zwischen Paraguay und Brasilien ist so von Verkehr verstopft, dass wir lieber unsere Räder rüber schieben. Auch der Gehweg wird gut genutzt. Auffällig sind die vielen jungen Männer mit hohen Stapeln in schwarzer Folie verpackten Kartons. Was geht hier ab?

Bald schon sehen wir, welchen Weg die Pakete nehmen. Unter der Brücke auf dem brasilianischen Ufer werden die Pakete von der Folie befreit und eine Ameisenstraße von Trägern verschwindet auf einem kleinen Trampelpfad. Das Ufer ist übersät von schwarzem Plastikmüll. Aber wie kommen die Pakete dort runter? Im Flug. Sie werden einfach von der 20 Meter hohen Brücke geworfen. Irgend jemand scheint da etwas dagegen zu haben und hat einen hohen massiven Zaun an der Brücke anbringen lassen. Die Schmuggler schneiden einfach ein Loch rein. Das wird dann wieder geflickt, dann wird ein neues reingeschnitten… der Zaun sieht aus wie ein Flickenteppich.

Es ist unglaublich, wie offen hier geschmuggelt wird. Und eben nicht nur auf der Seite Paraguays. Als wir später mit dem Bus von Foz do Iguacu nach Ciudad del Este fahren, steigt eine ältere Frau ein, verteilt etliche große Säcke mit Plastikspielzeug im Bus so, dass man sie von außen durch die Fenster nicht sehen kann. Dann setzt sie sich hin und bekreuzigt sich. Los gehts über die Grenze. Sie hat Glück. Keiner kontrolliert den Bus.

Foz do Iguacu, endlich raus aus Paraguay, endlich liegen die Wasserfälle in greifbarer Nähe, endlich kommen wir wieder nach Brasilien.