Neema

Um 5 Uhr morgens haben wir sie während Kirans „Star-show“ im Hill Queen Restaurant getroffen. Sie war dort mit etwa zehn Studenten des Lakshmi Ashrams.

„Verstehe den Geist des Menschen, denn dies ist das Instrument, um die Natur zu verstehen. Und die Natur ist Wahrheit und Liebe und Gott.“

Wo bist Du geboren? Was gefällt Dir an dieser Stadt/Gegend?

Ich bin in einem sehr kleinen Dorf in der Nähe von Kausani, in Dola, geboren. Heute leben nur noch 20 Menschen in Dola, früher waren es vielleicht 40. Es ist ein wunderschöner Ort. Man hat eine schöne Aussicht von etwas oben. Als ich jung war, liebte ich es, im Dorf herumzulaufen und mit den Nachbarn zu reden (während meine Familie zu Hause blieb). Ich mochte dieses Dorfgefühl, es ist wie eine große Familie. Das Leben war einfach.

Jetzt verändert es sich, Beziehungen zerbrechen, die Menschen denken immer materialistischer. Und sie ziehen in die Städte und versuchen zu arbeiten – z.B. in Restaurants und Hotels – aber sie wollen immer noch in den Bergen leben. Wenn die Menschen sich bilden, haben sie andere Ziele. Sie wollen einen Job in einem Büro und ein luxuriöseres Leben führen. Aber die Ausbildung bereitet nur auf die Arbeit vor und nicht auf das Leben. Und wenn sie keine Arbeit finden, sind sie oft sehr enttäuscht.

Jetzt lebe ich im Lakshmi Ashram in Kausani. Er wurde 1946 von Sarla Bhan gegründet. Sie kam 1932 aus Großbritannien nach Indien und lebte in mehreren Ghandi-Ashrams, bevor Mahatma Ghandi sie in die Berge schickte, um sich von einer Krankheit zu erholen. Sie erkannte die starke Mentalität der Frauen in den Dörfern und beschloss, ihnen eine intellektuelle Ausbildung anzubieten. Und so gründete sie diesen Ashram, der nach Ghandis Idealen geführt wird.

In unserem Ashram versuchen wir, unsere Schülerinnen auf das wirkliche Leben vorzubereiten. Ich liebe diesen Ort und seine Lage in den Hügeln. Und ich mag diese Bergregion mit den Terrassen und das Leben in den kleinen Dörfern, wo die Menschen hilfsbereit sind und einander verstehen. Die Frauen in diesen Bergregionen sind sehr stark, sowohl geistig als auch körperlich. Oft müssen sie viele Dinge bewältigen, weil der Mann für eine andere Arbeit, z.B. im Dienstleistungsbereich, unterwegs ist.

Was mir an Indien gefällt?

Die indische Kultur ist großartig. Ich mag die klaren Philosophien. Und ich mag das sehr starke Familiensystem. Ihre individuelle Entwicklung beginnt hier. Arrangierte Ehen können gut oder schlecht sein, das hängt hauptsächlich von den Eltern ab.

Bist Du jemals gereist und was war Deine weiteste / schönste Reise?

Ich reiste in den Shevagram Ashram in Maharashtra und in den Ghandi Ashram in Ahmedabad in Gujarat. Die weiteste und schönste Reise führte mich 1998 nach Dänemark. Ich wurde eingeladen, für 3 Monate dort zu bleiben, aber ich habe viel darüber nachgedacht, ob ich wirklich gehen sollte. Es war ein seltsames Gefühl, zum Flughafen zu kommen und ins Flugzeug zu steigen. War das wirklich ich, der diese Reise macht? Ich hatte Angst vor dem fremden Land und der fremden Sprache. Aber sobald ich ankam und Freunde mich am Flughafen abholten, war ich glücklich.

Ich lebte in verschiedenen Volkshochschulen und Colleges und verbrachte einige Zeit in Schweden und Norwegen. Ich versuchte, die verschiedenen Kulturen zu verstehen. Es ist wichtig, mit eigenen Augen zu sehen und eigene Erfahrungen zu machen. In unserem Lakshmi Ashram gibt es viele Ausländer, mit denen man reden kann, aber das reicht nicht aus.

Wohin möchtest Du gern reisen?

Ich würde gerne in den Süden Indiens reisen. Ich liebe das Meer. Und ich habe dort viele Freunde, die mich eingeladen haben.

Hast Du eine Vorstellung von Deutschland?

Nein, ich habe keine Ahnung von Deutschland.

Welche Feste feierst Du gern?

Weihnachten. Am 24. Dezember schmücken wir einen Tannenbaum, und am Abend kommt der Weihnachtsmann. Am nächsten Tag führen wir ein Kulturprogramm in den Dörfern durch.

Am 14. Januar feiern wir den Maker Sankranti. Wir machen Spielzeug aus Blumen, trocknen sie in der Sonne und kochen sie in Öl. Dann stellen wir sie den Krähen vor und hoffen, dass sie zumindest Teile dieser Spielzeuge essen. Wir glauben, dass die Krähen unsere Vorväter repräsentieren.

Wie bewegst Du Dich normalerweise fort? Zu Fuss.

Lebst Du mit anderen Menschen zusammen?

Ich wohne im Lakshmi Ashram, zusammen mit 70 anderen Mädchen und Frauen.

Was machst Du in deiner Freizeit?

Wenn ich alleine bin, lese ich gerne über Philosophie. Zusammen mit anderen führe ich gerne Diskussionen über Arbeit und Gedanken.

Welches Ereignis in Deinem Leben hat Dich besonders bewegt?

Die Reise nach Dänemark im Jahr 1998. Eine andere Erfahrung, die mich bewegt hat, war im Oktober 2001, als ich die Verantwortung für diesen Ashram übernahm. Es war eine schwere Entscheidung, aber sie macht meinen Geist und Körper stärker.

Was wäre Dein sehnlichster Wunsch?

Ich möchte gute Arbeit für die Mädchen im Ashram leisten, damit sie gut auf ihr Leben vorbereitet werden.

Habst Du eine Botschaft für unsere Leserinnen und Leser oder für uns?

Sei ein guter Mensch. Verstehe den Geist des Menschen, denn das ist das Instrument, um die Natur zu verstehen. Und die Natur ist Wahrheit und Liebe und Gott. Alles ist eins.

Neema, 32 Jahre, Lehrerin und Leiterin des Lakshmi Ashrams in Kausani, Uttaranchal, 9. Dezember 2002