Abigail

Abigail war unsere Spanischlehrerin in Ayacucho. Vielen Dank für die wunderbare Zeit, die wir zusammen verbracht haben. Sie hat sich sehr bemüht, etwas Spanisch in unsere Köpfe zu bekommen. Díficil!

„Freundschaft beginnt in unserer Familie“

Wo bist Du geborgen? Was gefällt Dir an dem Ort/der Gegend?

Ich bin in Ayacucho, Peru, geboren. Die Stadt gefällt mir sehr gut, vor allem das Klima und die Landschaft. Das Wetter ist fast das ganze Jahr über gleich, sehr sonnig. Aus meiner Sicht sind die Menschen in Ayacucho zu bequem. Sie wollen keine Veränderungen. Die Menschen sind oft freundlich, aber nicht ehrlich, nicht zuverlässig. Ich habe einige Freunde, aber viele von ihnen kommen nur zu mir, wenn sie etwas brauchen. Wenn ich traurig oder krank bin, ist es ihnen egal. Und die Leute helfen nicht, wenn sie Dich nicht kennen. Du musst um Hilfe bitten.

Ich frage mich immer wieder, warum die Menschen in Ayacucho so viel Geld für Festivals ausgeben. Sie haben nicht viel Geld, aber auf den Festivals gibt es Geld.

Das sind meine Gefühle über die Menschen von Ayacucho. In anderen Städten von Perú ist es nicht dasselbe. Ich mag die Menschen im Norden von Perú, sie sind freundlicher und ehrlicher, zum Beispiel die Menschen in Cajamarea.

Mir gefällt an Perú, dass es so viele verschiedene Kulturen und Sprachen gibt. Besonders im Dschungel gibt es viele verschiedene Gesellschaften. Es gibt auch schöne Städte in Perú, z.B. Huacachina, Ayacucho, Chiclayo) und viele Ruinen alter Kulturen, z.B. der Inkas, Huari. Perú hat eine sehr interessante Geschichte.

Wo lebst Du heute?

Heute lebe ich wieder in Ayacucho. Als ich 2 bis 8 Jahre alt war, lebte ich in Juliaca, in der Nähe von Puno. Mein Vater wurde in Puno geboren. Wir sind wegen des Terrorismus in Ayacucho dorthin gezogen. Juliaca liegt auf einer Höhe von mehr als 4.000 Metern. Ich erinnere mich, dass es dort sehr kalt war und meine Mutter krank wurde. Also zogen wir zurück nach Ayacucho.

Was denkst Du über Deutschland?

Hitler, nichts weiter. In den Nachrichten höre ich manchmal etwas über Europa.

Was feierst Du gern?

Ich mag Weihnachten und Neujahr, den Tag der Jugend am 23.9. und den Tag des Heiligen Valentin im Februar.

Weihnachten feiere ich immer mit meiner Familie. Am 24. Dezember haben wir ein großes Abendessen. Am Neujahrstag gehen wir mit der Kirche an andere Orte und zelten dort gemeinsam, z.B. am Strand.

Am Tag der Jugend gibt es Feste, bei denen wir uns verkleiden. Ich z.B. ziehe mich gerne wie eine Roma an, das ist ganz einfach, einen Hut, einen Rock. Es ist ein bisschen wie Karneval. Für den Valentinstag mache ich gerne Geschenke für meine Freunde, wie kleine Puppen. Manchmal treffen wir uns zum Abendessen.

Bist Du schon einmal gereist?

Als meine Klassenkameraden und ich die Schule beendet hatten, unternahmen wir alle eine große Rundreise nach Cusco, Puno, La Paz und zurück nach Cochabamba, Tacna, Ica, Lima und Ayacucho. Es war sehr lustig und schön. Es war auch meine weiteste Reise (La Paz in Bolivien). Die Reise dauerte zwei Wochen. Wir mussten das ganze Jahr zuvor sehr hart arbeiten, um das Geld zu bekommen. Wir verkauften zum Beispiel Hühner, zehn bis zwanzig Hühner pro Monat an einem Tag. Mit meiner Familie unternahm ich einige kürzere Reisen nach Ica und Lima.

Wohin würdest Du gern mal reisen?

Ich würde gerne nach Ägypten fahren, um die Pyramiden zu sehen, nach Jerusalem, weil der Herr Jesus dort geboren wurde. Und ich würde gerne nach Indien, seit ich klein bin. Als ich ein Kind war, habe ich ein Bild von Indien gesehen, und es sieht aus wie in einem Märchen. Als ich ein Haus für meine Puppen baute, versuchte ich, das Bild eines indischen Palastes zu kopieren.

Welches Transportmittel benutzt Du normalerweise?

Ich gehe zu Fuß, manchmal mit dem Bus. Einmal nahm ich einen Zug von Cusco nach Puno.

Mit wie vielen Menschen lebst Du zusammen?

Im Moment lebe ich mit meinen Eltern, meinem Bruder und meiner Cousine zusammen. Meine Cousine ist wie eine Schwester für mich. Sie wohnt in unserem Haus, seit sie ein Baby ist. Mein Bruder wird bald nach Ica ziehen, um an der Voruniversität Medizin zu studieren. Meine Mutter ist nur für drei Monate in Ayacucho, um sich zu erholen, weil sie durch das kalte Wetter in Paras, wo sie als Lehrerin arbeitet, krank geworden ist. Sie wird nächsten Monat nach Paras zurückkehren. Ich bin sehr traurig, dass sie uns wieder verlassen wird, aber wir brauchen das Geld. Mein Vater ist der Verwalter einer Privatschule in Ayacucho. Sein Geld ist für unseren Lebensunterhalt bestimmt. Das Geld, das meine Mutter in Paras verdient, ist für meinen Bruder. Mit diesem Geld kann er studieren. Ich verdiene ein wenig Geld, indem ich Englisch unterrichte. Dieses Geld ist für meine Universitätsausgaben wie Bücher, Papier, Schülertransport usw. Ich studiere Literatur und möchte Lehrer werden.

In unserem Haus lebt auch meine Hündin Wendy mit ihren beiden Welpen.

Was machst Du besonders gerne?

Wenn ich allein bin, höre ich gerne Musik und singe. Ich singe allein in der Kirche. Ich lese gerne, zum Beispiel das Buch „El mundo“. Ich mag Bücher von Ernesto Sabato, einem Autor aus Argentinien. Zum Beispiel „cucho y ajeno“. Und ich mag psychologische Romane.

Mit der Familie besuche ich gerne Ruinen. Wenn es in Perú die Möglichkeit gäbe, als Archäologin zu arbeiten, würde ich vielleicht Archäologie studieren. Aber es ist schwierig, mit diesem Fach einen Job zu bekommen.

Mit Freunden sehe ich mir gerne einen Film bei jemandem zu Hause an oder unterhalte mich einfach.

Welches Ereignis während der letzten Woche(n) war besonders schön?

Es war schön, Euch kennen zu lernen. Abgesehen davon ist nichts passiert. Ich bin zu Hause geblieben und habe gearbeitet.

Welches Ereignis in Deinem Leben hat Dich besonders bewegt?

Der Eintritt in die Universität. Das ist sehr schwierig. Für jede freie Stelle gibt es 300 bis 400 Bewerber. Ich hatte also sehr viel Glück, den Test zu bestehen. Zuerst habe ich zwei Jahre lang Mathematik und Physik studiert. Aber es hat mir nicht gefallen. Ich habe hart gearbeitet, aber die Tests waren nicht befriedigend, nur durchschnittlich. Also wechselte ich 2002 zu Bildung und spanischer Literatur. Wieder musste ich einen Test machen. Aber ich bestand ihn und wir feierten das in der Familie. Ich bin froh, dass ich meine Fächer ändern konnte. Es passt viel besser.

Was wäre Dein sehnlichster Wunsch?

Ich möchte mein Studium beenden und weiter zum Magisterstudium gehen. Ich möchte eine gute und gut bezahlte Arbeit finden und meiner Familie helfen. Vielleicht kann ich nach Ägypten reisen, einen netten Ehemann heiraten, ein oder zwei Kinder haben und in Frieden leben.

Im Moment würde ich gerne nach Lima gehen, allein leben. Aber ich verstehe, dass das für meine Familie zu teuer ist. Wir alle müssen meinem Bruder helfen. Ich glaube, ich bin sehr freundlich, manchmal sehr wütend. Ich bin jemand, der alles verbessern will, z.B. mein Englisch, mein Studium, meine Familienarbeit, meine Person.

Hast Du eine Botschaft oder einen Rat für unsere Leser oder uns?

Möge die wahre Freundschaft immer wachsen. Sie beginnt in unserer eigenen Familie. Und wir sollten auch versuchen, unsere Träume zu verwirklichen. Schließlich sollten wir nicht vergessen, dass es einen Gott gibt, der uns liebt.

Abigail, 20 Jahre, Ayacucho,   Peru, 18. September 2003